Neid
Januar 20, 2008
Mein kleinster Fehler ist der Neid.
Aufrichtigkeit, Bescheidenheit,
Dienstfertigkeit und Frömmigkeit,
Obschon es herrlich schöne Gaben,
Die gönn‘ ich allen, die sie haben.
Nur wenn ich sehe, daß der Schlechte
Das kriegt, was ich gern selber möchte;
Nur wenn ich leider in der Nähe
So viele böse Menschen sehe
Und wenn ich dann so oft bemerke,
Wie sie durch sittenlose Werke
Den lasterhaften Leib ergötzen,
Das freilich tut mich tief verletzen.
Sonst, wie gesagt, bin ich hienieden,
Gott Lob und Dank, so recht zufrieden.
Wilhelm Busch
Neid, Privatroman im Netz
Januar 20, 2008
Elfriede Jelinek schreibt ihren neuen Roman „Neid“ im Netz. Die Kapitel 1 – 4c und Fortsetzungen sind ausschließlich im Internet auf Jelineks Homepage zu lesen. Ob dieser Privatroman bei Fertigstellung veröffentlicht wird ist noch offen.
Neid
Privatroman
Kapitel 4c
1
Die arme Brigitte K. hat den Schock nicht überwunden, von sich und ihrem Heim getrennt zu werden, doch wen kümmerts? Wen kümmerts, ob ein Mensch oder eine geshrinkte Stadt einen Schock überwinden kann oder nicht? Die niedrigen Menschen lachen ja sogar noch über die kleine N. und machen ihre Scherze über sie, weil sie etwas zu überwinden hat, das die übrigen Menschen sich nicht einmal vorstellen können. Das Überwinden ist immer schwierig, denn man braucht dafür jemanden, der sich zur Verfügung stellt und in Reserve hält, damit man über ihn bockmistspringen kann, ja, genau, damit man mehr bekommt, als man hat, denn wenn man über jemand drüberspringt, hat man einen kurzen Moment lang eine Ahnung, wie viele Bessere es geben könnte, über die man sich hinwegsetzt und die selber alle höher springen können, über die man dann wieder in einem riesigen Satz hinwegsetzen kann, so wie ich mich über all dies hinwegsetze, au, FG. Was man nicht hat, kann man auch nicht herborgen, nicht wahr, verbergen sollte man es aber auch wieder nicht, denn ein bißchen sollte die Stimmung für den Tourismus aufbereitet werden, wenn sie zusammengesunken ist, dann kämmen wir sie ein wenig und bürsten sie gegen den Strich, so wie ich das seit vielen Jahren mit meinem Vaterland versuche, was bei Ihnen auch nie gut angekommen ist, am wenigsten bei den engagierten Verteidigern der einstigen Verteidiger des lieben Landes, welche einst ihr Leben riskierten oder gaben, mir ausnahmsweise nicht egal, mehr sage ich nicht, also bitte den Prospekt, o je, der färbt ab, macht nichts: Einen Berg hätten wir da im Angebot, eine Skipiste, ein Naturschauspiel, eine naturtrübe Tasse wie Brigitte eine ist und
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ich auch eine bin, nein, bitte nehmen Sie wenigstens mich nicht!, ich war, von mir selbstgewählt, schon zu oft dran!, man braucht etwas, um dann darüber hinwegzukommen, doch plötzlich merkt man, daß man nicht drüber hinwegkommt, denn man hat einen zu hohen Berg aufgebaut, ich um mich herum, Brigitte jedoch, um draufzusteigen (wollte sie einmal sehen, wie das ist, nachdem bei der Scheidung dermaßen auf ihr herumgetrampelt wurde?)…
Die Fortsetzung ist zu lesen unter:
http://ourworld.compuserve.com/homepages/elfriede/
Neid, die sieben Todsünden der Kleinbürger
Januar 20, 2008
…von Bertolt Brecht, Musik von Kurt Weill, Paris 19337.
7. NEID
Anna 1:
Und die letzte Stadt der Reise war San Francisco.Alles ging gut, aber Anna war oft müde und beneidete jeden,der seine Tage zubringen durfte in Trägheit.Nicht zu kaufen und stolzin Zorn geratend über jede Rohheit,hingegeben seinen Trieben, ein Glücklicher!Liebend nur den Geliebtenund offen nehmend, was immer er braucht.Und ich sagte meiner armen Schwester,als sie neidisch auf die anderen sah:“Schwester wir sind alle frei geborenund wie es uns gefällt, können wir gehen im Licht.Also gehen aufrecht im Triumphe die Toren,aber wohin sie gehen, das wissen sie nicht.Schwester, folg mir und verzicht auf die Freuden,nach denen es dich wie die anderen verlangt.Ach, überlaß sie den törichten Leuten,denen es nicht vor dem Ende bangt!Iß nicht und trink nicht und sei nicht träge,Die Strafe bedenk, die auf Liebe steht.Bedenk, was geschieht, wenn du tätst, was dir läge,nütze sie nicht, nütze sie nicht,nütze die Jugend nicht, denn sie vergeht.Schwester, folg mir, du wirst sehen, am Endegehst im Triumph du aus allem hervor.Sie aber stehen, o schreckliche Wende,zitternd im Nichts vor verschlossenem Tor.“
Die Familie:
Wer über sich selber den Sieg erringt,der erringt auch den Lohn.
Neid
Januar 20, 2008
Bei Melanie Klein wird Neid zu einem zentralen Konzept. Melanie Klein war eine Schülerin von
Karl Abraham, der Neid mit oral-sadistischen, gefräßigen, zersetzenden, bissigen Triebimpulsen in
Verbindung gebracht hat – wie der Vampir, der sich aus dem Blut von Lebenden speist. „Neid“, so
schreibt Melanie Klein (1957) in ihrer berühmten Arbeit „Neid und Dankbarkeit“,… geht
auf die früheste ausschließliche Beziehung zur Mutter zurück … Neid … strebt auch danach, Böses,
vor allem …. böse Teile von sich selbst, in die Mutter, d.h. in erster Linie in ihre Brust hineinzutun,
um sie zu verderben und zu zerstören“ (S. 175). Die mütterliche Brust ist – so Melanie Klein – das
erste beneidete Objekt; das Kind habe „das Gefühl …, dass sie – die mütterliche Brust – alles besitzt,
was es begehrt, und dass sie über einen unbegrenzten Strom von Milch und Liebe verfügt, den sie
für ihre eigene Befriedigung zurückhält“ (S. 175).
Freud hatte in dem Neugeborenen ein Bündel libidinöser und aggressiver Triebimpulse, von Eros
und Todestrieb gesehen. Bei Melanie Klein ist an die Stelle des Todestriebs zerstörerischer Neid
getreten, der eine konstitutionelle Grundlage haben und soll unter der Erfahrung von Abwesenheit
der Mutter bzw. der versorgenden mütterlichen Brust geweckt wird. In der Folge projiziere der
Säugling alles Böse in die mütterliche Brust und vernichte auf diesem Weg in der Fantasie das gute,
Leben spendende Objekt, das so zu einem bösen Objekt gemacht wird (Sandell 1993, S. 10). Um
diese Kleinianische Auffassung von Neid anschaulich zu machen, zitiert Adrienne Harris (2001)
aus einem Gedicht aus dem 14. Jahrhundert von Piers Plowman. Dort wandern ein gieriger und ein
neidischer Mann durch den Wald und treffen eine Elfe. Die Elfe verspricht, einem von ihnen einen
Wunsch zu erfüllen, allerdings unter der Bedingung, dass der andere das Doppelte bekommt. Der
Gierige entscheidet zuerst, nämlich, der andere möge seinen Wunsch nennen. Der Neidische
überlegt und sagt dann zu der Elfe: „Mach mich auf einem Auge blind“. Neid, so die Botschaft, ist
eine maligne Form angeborener Aggression und zielt auf Zerstörung des guten Objekts.
Neid wird hier weitgehend gleichgesetzt mit Aggressivität, genauer: mit Destruktivität, im
Zirkelschluss ist Neid immer aggressiv bzw. destruktiv. Weil postuliert wird, dass Neid destruktiv
ist, will, wer neidisch ist, einfach deshalb zerstören.
Klein, M. (1957, 1972): Das Seelenleben des Kleinkindes und andere Beiträge zur Psychoanalyse.
Reinbek, Rowohlt.